Seit einiger Zeit ist der Terminus Virtual Production ein wichtiges Thema – vor allem in der Filmindustrie, aber auch in zahlreichen weiteren Branchen. Doch was genau hat es damit auf sich? Warum gerät die Technologie gerade jetzt in den Fokus? welche Möglichkeiten eröffnet sie und handelt es sich vielleicht nur um eine kurzweiligen Trend? Diese und andere Aspekte soll dieser Artikel näher beleuchten.
Was ist Virtual Production?
Wie bei vielen neuartigen Technologien gibt es auch beim Begriff Virtual Production noch keine allgemeingültige Definition. Es lässt sich aber festhalten, dass es sich um eine neuartige Produktionstechnik handelt, die vor allem bei Film- und Fotoaufnahmen zum Einsatz kommt. Das Besondere ist hierbei die Verwendung von LED-Leinwänden, auf denen sich beliebige Hintergründe für die jeweilige Aufnahme darstellen lassen. Weil es sich hierbei um 360°-Screens handelt, entsteht eine besondere Plastizität, die dem Betrachter eine fast vollständige Immersion ermöglicht.
Virtual Production ist aber mehr als nur eine weitere Produktionstechnik, bei der 360°-Displays Verwendung finden. Es ist vielmehr die Überführung von klassischen Film- oder Fotoproduktionen von einer analogen in eine komplett digitale Umgebung. Dabei lassen sich in einem Virtual Studio praktisch alle relevanten Parameter genau definieren und bei Bedarf variieren. Das reicht von der Wahl der Objektive über die Gestaltung von Sets und Requisiten bis hin zu den exakten Bewegungen der Kameras sowie der Lichtgestaltung.
Ist Virtual Production das Gleiche wie Virtuelle Produktion?
Grundsätzlich ist die wortwörtliche Übersetzung von Virtual Production durch Virtuelle Produktion korrekt. Allerdings findet der deutsche Terminus – zumindest aktuell – primär in einem etwas anderem Kontext Verwendung. Der Begriff Virtuelle Produktion hat sich im Deutschen nämlich schon seit geraumer Zeit im Bereich der Industrietechnik etabliert. Hier bezeichnet er die Optimierung von Produktionsanlagen. Wenn Sie sich also näher über Virtual Production bzw. Virtuelle Produktion informieren möchten, sollten Sie deshalb unbedingt auf den Kontext der Ausführungen achten.
Welche Anwendungsmöglichkeiten bietet Virtual Production?
Mithilfe der Virtual Production lassen sich hochwertige visuelle Inhalte – etwa maßgeschneiderter Digital Marketing Content – erzeugen. Das gelingt besonders eindrucksvoll durch das Zusammenspiel mit anderen Techniken der Medienproduktion.
Dazu zählen vor allem Augmented Reality, Virtual Reality sowie Computer Generated Imagery (CGI) und Game Engine Technologien. Dadurch ergeben sich für Unternehmen und Agenturen vielfältige Möglichkeiten in zahlreichen Bereichen. Dazu gehören beispielsweise
- Produktpräsentation,
- Werbung,
- E-Commerce,
- Markenbildung,
- Unterhaltung.
Produktpräsentation
Viele Hersteller präsentieren neue und hochwertige Produkte an besonderen Locations: außergewöhnliche Naturdenkmäler, berühmte historische Bauwerke oder pulsierende Städte wie New York oder Tokio. Ziel ist dabei, das Produkt in einem passenden Umfeld in Szene zu setzen, das im besten Fall positiv abstrahlt. Mit der Virtual Production sind den Künstlern hier keine Grenzen gesetzt. Denn sie können durch diese Technologie beliebige Orte auf der Welt durch virtuelle Fotografie oder virtuelle Filmaufnahmen bequem in das lokale Virtual Studio holen.
Werbung
Werbung ist für jedes Unternehmen wichtig, um sich im harten Wettbewerb zu behaupten. Auch hier bietet Virtual Production ganz neue Möglichkeiten. Denn mit dieser Produktionstechnik lassen sich nicht nur beliebige Orte nachbilden, sondern auch Locations schaffen, die es schon lange nicht mehr gibt oder noch nicht existieren. Sie möchten Ihr Produkt auf dem Forum des antiken Roms, im Berlin des 22. Jahrhunderts oder in einer atlantischen Unterwasserwelt bewerben? Virtual Production ermöglicht das alles – und noch viel mehr.
E-Commerce
Nichts ist langweiliger als die immer gleichen Bilder beim Online-Shopping zu betrachten. Mit Virtual Production lassen sich Modifikationen schnell und günstig durchführen. So ist der Wechsel eines plastisch anmutenden Backgrounds mit wenigen Klicks möglich. Hier lässt sich beispielsweise im einen Moment das neue Produkt mitten im tropischen Urwald präsentieren – und im nächsten die New Yorker Hochhauskulisse verwenden. Kein Problem mit Virtual Production. Zudem können Unternehmen Interessenten einen echten Mehrwert bieten – etwa durch interaktive Anwendungen, die sich in virtuelle Umgebungen integrieren lassen und auch für andere Szenarien interessant sind.
Markenbildung
Der Aufbau und die Entwicklung der eigenen Marken spielen für Unternehmen eine immer größere Rolle. Visueller Content ist hier besonders wichtig. Er hinterlässt beim Betrachter einen starken emotionalen Eindruck. Mit Virtual Production lässt sich die Wirkung maximieren – vor allem im Zusammenspiel mit Techniken der 3D Contenterstellung. So entstehen hochwertige und innovative Marketinginhalte. Die Grenzen für die Inszenierung einer Marke bestimmen bei der Virtual Production nicht mehr Techniken oder Locations, sondern nur noch die Ideen kreativer Köpfe.
Unterhaltung
Virtual Production ist als Technologie in der Unterhaltungsbranche entstanden – genauer gesagt in der Filmwirtschaft. Doch sie lässt sich auch darüber hinaus nutzen. Unternehmen sind in diesem Zusammenhang weniger an abendfüllenden Filmen, sondern an kurzen Videos oder kleinen Spielen interessiert. Diese wecken das Interesse der Betrachter, die dank immersiver Eigenschaften der Technologie tief eintauchen. Das ermöglicht wiederum eine aktivierende emotionale Ansprache.
Source: Wikipedia.org | Creative Commons | Credit: Konyevi
Warum ist Virtual Production gerade aktuell ein Thema?
Virtuelle Elemente finden bei Foto- und Filmaufnahmen bereits seit mehreren Jahren Verwendung. Es sind vor allem vier Gründe, warum Virtual Production als umfassende digitale Produktionstechnik sich ausgerechnet jetzt einer so großen Beliebtheit erfreut. Dabei handelt es sich um
- innovative Software,
- Hardwareevolution,
- die COVID-19-Pandemie
- und logistische Effizienz.
1. Innovative Software
Computergenerierte Spezialeffekte spielen in Kinofilmen bereits seit Jahrzehnten eine wichtige Rolle. Dennoch hat die Neuverfilmung von „König der Löwen“ im Jahr 2019 ganz neue Maßstäbe gesetzt. Sie hat die virtuelle Technik auf ein neues Level gehoben. Für den Erfolgsfilm setzten die Kreativen gezielt Virtual Production als Technologie ein. Sie nutzten die vielfältigen Möglichkeiten bestehender Software und entwickelten gleichzeitig völlig neue Werkzeuge. Regisseur John Favreau hat in diesem Zusammenhang in Interviews mehrfach den großen Einfluss der Virtual Production bei der Entstehung seines Werks betont. Einige dieser Werkzeuge und Best Practices finden nun auch außerhalb von Kinofilmen Verwendung.
2. Hardwareevolution
Früher mussten ganze Farmen von Computern teilweise monatelang die visuellen Effekte eines Kinofilms berechnen. Moderne Rechner sind inzwischen nicht nur deutlich leistungsfähiger, sondern auch erheblich günstiger. Darum ist die Technik der Virtual Production nicht mehr ausschließlich den großen Filmstudios oder Spezialunternehmen für Visual Effects vorbehalten. Das mag zwar teilweise die Möglichkeiten übersteigen, die eine klassische Inhouse Agentur hat. Ambitionierte Web- und Marketingagenturen nutzen die Technologie der Virtuellen Produktion aber jetzt schon und kreieren so für ihre Kunden durch den damit erstellten visuellen Content Wettbewerbsvorteile.
3. COVID-19-Pandemie
COVID 19 beeinflusst unser tägliches Leben und hat für Kreative massive Auswirkungen bei der Erstellung von Inhalten. Das gilt vor allem für visuellen Content. Durch die mit der Pandemie einhergehenden Reisebeschränkungen ist es für Foto- und Filmteams nicht mehr einfach, oft sogar unmöglich, zu den perfekten Drehorten zu reisen. Mit Virtual Production lassen sich hingegen die gewünschten Sets problemlos in einem Virtual Studio kreieren.
4. Logistische Effizienz
Um neue Produkte in einem ansprechenden Umfeld zu präsentieren, ist es üblich, dass Filmteams, Models und Equipment an reizvolle, aber entlegene Orte auf der ganzen Welt reisen. Das verursacht nicht nur hohe Kosten, sondern stellt Logistik und Projektmanagement oft auch vor beträchtliche Herausforderungen. Ein virtuelles Fotoshooting oder ein virtueller Filmdreh lassen sich stattdessen ganz einfach in einem lokalen Studio durchführen, wobei der gewünschte Ort als Hintergrund digital entsteht. Das schont nicht nur das Budget, sondern auch die Umwelt und erleichtert logistischen Planungen.
Die Zukunft von Virtual Production: Mode oder langfristiger Trend?
Ist Virtual Production vielleicht nur eine kurzfristige Mode, die Agenturen und Unternehmen ad acta legen, wenn die Corona-Krise überstanden und das Reisen an beliebige Locations wieder möglich ist? Wer das glaubt, übersieht die vielfältigen Möglichkeiten und Vorteile einer Technologie, die ideal geeignet ist, Marketingerfolge zu erzielen. Virtual Production wird auch nach Corona relevant bleiben, weil sie nicht nur schnellere, sondern auch bessere Ergebnisse als die bisherigen Produktionsmethoden liefert. Der visuelle Content wird dabei tendenziell hochwertiger, weil das endgültige Ergebnis bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme sichtbar ist. Bei der Verwendung von Green Screens und reiner CGI ist dies erst nach einem aufwendigen Compositing möglich.
Zudem lassen sich bei der Virtual Production erforderliche Anpassungen direkt vor Ort durchführen. Kreative verändern mit wenigen Klicks Faktoren wie die Lichtarchitektur oder den Background. Das begünstigt – genau wie der Wegfall langer Reisen zu den Locations – eine zeitnahe On Demand Produktion und ein reaktionsschnelleres On Demand Marketing, das Leads auf Basis dieses Contents auch entsprechend schneller generieren kann. Dazu eröffnet Virtual Production Kreativen gigantische Möglichkeiten – oder wie es Elliot Newman, VFX-Supervisor beim Film „König der Löwen“ ausdrückt: „No physical stage means no limitations.“