Plakative Logos, Strasssteine und provokative Statements sind alles Elemente der 2000er Fashion-Riege, die viele Millennials sicherlich noch kennen und dabei mit sentimentaler Nostalgie in Erinnerungen schwelgen oder im anderen Extremum, diese Gedächtnis-Looks auf Ewig aus Ihrer Stil-Reise verbannt haben möchten.
Es stellt sich bei diesem Thema oftmals nur die Entweder-Oder-Frage – Eine Grauzone zwischen den Lagern ist nahezu non-existent. Umso freudiger ist für jene Nostalgie-Junkies, die aktuelle Renaissance dieser Ära unter dem Decknamen Y2K (Year 2000) zu erleben, welche durch die folgende Gen Z wieder aufgegriffen und auf Social Media interpretiert und befeuert wird. Die letzten Jahre hat sich dieser Trend popkulturell schon durch sämtliche Social Media Accounts angekündigt, die mit Memes die damalige Popkultur zurück ins Hier und Jetzt geholt haben. Musikalische Comebacks und Aufarbeitungen von sozialen Missständen der damaligen Zeit, wie im Falle Britney Spears.
Das Wiederauferleben der 2000er Fashionbrands im D2C-Vertrieb
Auch wenn ein großer Teil von diesem aktuellen Trend auf Vintage und Second-Hand Mode beruht, kehren auch die Giganten dieser Zeit wie Diesel, Ed Hardy oder Juicy Couture zurück mit Kollektionen, die einen Zeitsprung in diese Ära nahezu fließend ermöglichen. Dass diese Marken um die 2010er Jahre herum wie von der Oberfläche verschwunden sind, ist einerseits dem Wechsel zu einer Understatement-Ästhetik geschuldet, aber andererseits auch dem digitalen Wandel im Fashion Segment. Die Intersektion dieser beiden kulturellen, als auch technologischen Trends, führte zum Verfall von starken plakativen Marken, da Hardcore-Fans zu einer bewussten Käufergruppe wuchsen, welche die neu entstandene Vielfalt und Auswahlmöglichkeiten auf Retail-Plattformen wie Zalando stärker genossen. Auch wenn in diesem Zuge neue Marken entstanden und manch bestehende Marke den Shift hin zum Understatement und Plattform-Access geglückt ist, zeigte sich hier ein klarer Paradigmen-Wechsel im Vertrieb und in der Rolle einer Marke.
Beides sind wesentliche Dimensionen, die auch bei dem heutigen parallelen Trend von D2C Brands eine Rolle spielen. Unter D2C verbirgt sich der Ansatz eines Direktvertriebs (Direct-to-Consumer), worin wesentliche Vorteile, aber auch höhere Hürden generiert werden bzw. entstehen können. Folgendes sind nur einige Beispiele:
- Direkte Informationen aktiv und passiv durch Einsicht in Käuferdaten
- Markenhoheit in der Kommunikation – Sicherung eines markenbildenden Image
- Qualitätssicherung bei Produkten und den damit einhergehende Services
- Höhere Margen durch weniger Einbußen von Händlern
Unübersichtliche und unpersönliche Angebote führen zu rückläufigen Kaufentscheidungen
Nachdem vor allem im letzten Jahrzehnt beginnend mit der Markt-Penetration des E-Commerce im Onlinehandel alle Möglichkeiten bis ins Maximum skaliert und optimiert wurden, kommt es auf Konsumentenseite immer häufiger zur Überforderung und Hinterfragung des Konsums aus einer Nachhaltigkeitsbrille. Laut einer Studie von der Descartes Systems Group spielt für 39% der Befragten der Nachhaltigkeitsaspekt vom Produkt selbst, aber auch das sichtbare Umweltbewusstsein des Unternehmens bei der Kaufentscheidung eine wesentliche Rolle. Mehr als die Hälfte der befragten Personen nehmen für mehr Nachhaltigkeit sogar einen langsameren Versand in Kauf. Wo für potentielle Konsumenten auf Online-Plattformen oder auf -Marktplätzen einst mit Long-Tail-Angeboten eine unendliche Auswahlmöglichkeit geschaffen wurde, kommt es heute immer mehr zu einem Einkaufserlebnis, welches als unübersichtlich und unpersönlich wahrgenommen wird. Auch wenn Marktplätze wie Amazon ein go-to der initialen Produktsuche bleiben, schreckt dieses Überangebot bereits 46% von 4.500 Befragten ab (Quelle: Episerver via OMJ), womit man als Folge eine verzögerte oder gar keine Kaufentscheidung beobachtet. Diese verzögerte Kaufentscheidung tritt vor allem bei der Recherche und dem Kauf von Nicht-Alltagsgütern auf, wo besonders in einer service-dominierten Logik auch das Erlebnis während der Nutzung von Produkten und eine nahtlose Identifikation dieses Erlebnisses mit dem eigenen oder idealisierten Lifestyle einhergeht. Zusammenfassend heißt das, dass sich durch die Kaufentscheidung ein Mehrwert für das eigene Leben zeigen soll.
Diesem skizzierten Konsumenten-Sentiment wurde vor allem versucht, mit starken D2C-Brands in verschiedenen Branchen nachzukommen. Nahezu jeder Lifestyle geprägte Markt kann mittlerweile Beispiele für solche Marken vorzeigen. Wie mymüsli, die bereits als First-Mover im Food-Bereich mit dem Direktvertrieb Ihres Müsli-Sortiments 2007 online gestartet sind. Die einstige Erfolgsstory entwickelte sich in einem ergänzenden Offline-Vertrieb durch die Eröffnung eigener Stores und der Kooperation mit Supermärkten. Weitere Beispiele gibt es auch im Schlaf-Segment mit dem US-amerikanischen Unternehmen Casper, welches den Online Vertrieb von Matratzen losgetreten hat. Dieses Modell wurde auch in unseren Breitengraden adaptiert durch Digital-Native D2C Brands wie Emma oder Bett1. Beide haben sich mehr als erfolgreich am Markt etabliert und überzeugen nicht nur mit wettbewerbsfähigen Preisen, sondern auch mit geprüfter Qualität, wobei stets um die Testsieger-Platzierung bei Stiftung Warentest gebuhlt wurde.
Beide Brands punkten vor allem mit einem schnellen Versand (Bett1: 4-6 Werktage) und einem Qualitätsversprechen im After-Sale (Emma: 100 Tage Probeschlafen mit möglicher Retoure). Es scheint, als wäre ein perfektes und replizierbares Vertriebsmodell entstanden, das vor allem neue starke Marken auf den Markt bringt, die zum Teil losgelöst von Plattformen und Marktplätzen ihren Direktvertrieb gestalten. Wer jetzt aber von einer D2C Utopie ausgeht, täuscht sich. Auch diese Revolution zeigt Ihre Makel. mymüsli hat über die letzten Jahre einen Großteil Ihrer eigenen Filialen wieder schließen müssen und auch Bett1 und Emma haben immense Customer-Acquisition-Costs (CAC), die durch den seltenen Wiederkauf von Matratzen nicht abebben werden. Generell zeigt sich, dass Sortimentsergänzungen meistens als Problemlöser umgesetzt werden, um mit der Auswahl komplementärer oder benachbarter Produktgruppen diese hohen CAC langfristig zu senken. Trotz dieser Hürden zeigen sich weiterhin neue Player auf den D2C Märkten. Darunter vor allem auch klassische Hersteller, da sie, getrieben von asymmetrischen Machtverhältnissen in der eigenen Wertschöpfungskette und dem Wunsch, näher selbst am Kunden zu sein, eine Lösung in diesem Vertriebsmodell suchen.
Worin liegt jetzt das D2C Potential für die Fashionbranche vor allem in der jetzigen Y2K Renaissance?
Wie einleitend bereits erwähnt, war ein wesentliches Merkmal von Fashion-Brands in den 2000er Jahren der #Kult-Charakter. Dieser Kult wurde mit dem Markenimage zwar verbunden, jedoch in der Popkultur erst durch einen Fan-Faktor generiert, der sich mit prominenten Testimonials erzeugen ließ. Diese Nähe von Mode zur Popkultur hat sich auch heute nicht verändert, sondern zeigt sich durch die Relevanz von Social Media noch in einer viel nahbareren Facette. Wo früher die Popkultur von einem ausgewählten Zirkel mit dem Titel “Prominent” diktiert wurde und in Ausnahmefällen die Cinderella It-Girl Story erzählte, zeigt sich heute ein viel weiteres Spektrum auf diesem Gebiet. Eine heutige Demokratisierung von diesem Zirkel zeigt sich in der Beschreibung “Person des öffentlichen Lebens”, welche vor allem mit den Social Media Kanälen entstand. Der Unterschied liegt nun darin, dass der Kreis von einflussreichen Personen stetig bottom-up wächst und in verschiedenen Abstufungen betrachtet werden kann, gemessen an Reichweite und Glaubwürdigkeit.
Was früher ein Hype war, heißt nun “Viral-gehen” und prägende Fashion-Momente ergeben sich nicht mehr nur durch Paparazzi-Schüsse, sondern werden bewusst selbst in wörtlicher Eigenregie kreiert.
Nahbar statt auf einem Podest,
Nachhaltig statt Fast-Moving,
inklusiv statt exklusiv.
Es ist nun die Herausforderung von den bestehenden Kultmarken, diese neuen Spielregeln für sich in die Erfolgsformel Kult zu übersetzen, um den bestehenden Vorsprung auch zu nutzen und sogar auszubauen. Denn auch in diesem Segment entstehen Digital-Native Brands, die sich die Essenz der Y2K Ära zu eigen machen und durch die Vorteile des Direktvertriebs vor allem in ihrer Hauptzielgruppe, der Gen Z exponentiell wachsen.. – Sorry Millennials! Aber der Minimalismus wurde bereits wieder auf den Laufstegen gesichtet. Glücklicherweise haben Monobrands im Fashion Segment immer den Vorteil, nicht nur aus einem Hero-Produkt zu bestehen, sondern einer vollständigen Kollektion, welche um das Hero-Produkt gebaut wird. Diese Kollektionen variieren dann meist noch mit den Saisonalitäten oder limitierten Capsule Collection, die ergänzend dazu released werden.